Mittwoch, 20. März 2013

Ja, was soll ich sagen, wir wurden unbarmherzig um 6.30 Uhr vom Wecker aus dem Schlaf geholt. Es war Samstag, der 9. Februar 2013. Ich glaube, ich liess den Wecker noch zwei mal anspringen. Ich konnte einfach nicht wach werden. Paul hörte den Wecker gar nicht, der schlief tief und fest. Tat mir echt leid, als ich ihn dann doch irgendwann wach rütteln musste. Es fühlte sich gar nicht so an, dass wir wirklich knapp fünf Stunden geschlafen hatten. Aber es fühlte sich besser an als die letzten Nächte ohne Schlaf. Wir quälten uns aus unserem schönen warmen Truck in die Kälte von um die -25°C. Die Hunde überraschten uns mit einer Menge Haufen… Das hat man nun davon, wenn man ein paar Stunden Schlaf haben möchte. Führten also erstmal die Hunde ums Eck und säuberten die Liegeplätze. Aber das Gassi gehen beschränkte sich wirklich nur auf das Nötigste. Ich konnte kaum noch gehen. Dann bereiteten wir Futter zu, dass sie jetzt wieder gierig verschlangen. Dann fielen sie sofort wieder in eine tiefen Schlaf. Ich massierte sie nacheinander alle wieder durch und wechselte sämtliche Wärmeverbände und Stützverbände. Deckten die Hunde mit Decken und Stroh zu, damit sie nicht auskühlten. Sie hatten wirklich nichts mehr zuzusetzen. Waren alle sehr dünn geworden und einfach nur müde und hungrig. Wir fütterten ihnen so oft und so viel wie möglich, damit sie sich warm halten und wieder zu Kräften kommen konnten. Aber ich bezweifelte, dass wir das in 40 Stunden schaffen konnten… Die Musher hatten jetzt eine längere Pause vorgeschrieben bekommen. Anstatt 36 mussten alle 40 Stunden in Dawson City Halt machen, da die erste Teams so schnell waren, dass die Race Officials nicht hinter her kamen. Das hatte ich jedenfalls so erzählt bekommen. Sie benötigten mehr Vorbereitungszeit in den nächsten Checkpoints. Ja, die Spitze des Rennens flog nur so dahin. Wir bekamen daher nicht allzu viel von den anderen Teams mit. Aber wir hatten hier im Backpack auch unsere Vorteile. Wir genossen, dass uns sämtliche Mitarbeiter des Rennens langsam persönlich kannten, dass wir gar nicht mehr unsere Armbänder, die uns als Handler auszeichneten (ich wurde oft gefragt, ob ich ein Musher wäre!) und waren vor allem nicht wirklich im Stress, da Dyan ihre Zeit benötigte. Wir fanden das alles eigentlich ganz gut so.

Grau, grau, grau
Ich mein, das hier in Dawson war echt Hardcore, aber selbst das konnten wir geniessen und verloren nie unser Lachen. Und wir machten uns selber nie Stress. Paul wartete dann wieder auf Dyan´s Anruf, dass er sie einsammeln konnte. Als wir zum Truck gingen, um uns ein paar Müsliriegel zu holen, es war um die halb zehn Uhr, stoppte neben uns ein Jeep und Sebastian sprang heraus. Er fuhr uns an, wo Dyan wäre. Sie hätte um zehn Uhr ein Meeting. Wir schauten uns und dann ihn an. Wir meinten, dass wir keine Ahnung hätten, was Dyan treiben würde. Sie wäre heute Nacht in ihre Unterkunft gefahren worden und wir hätten bisher nichts von ihr gehört. Und wir hätten auch keine Möglichkeit sie zu kontaktieren. Aber wir wären uns sicher, dass Dyan pünktlich dort erscheinen würde. Als Sebastian abgerauscht war meinte ich zu Paul, dass er vielleicht lieber mal zum Checkpoint fahren und nachsehen sollte, ob Dyan wirklich dort war. Ich blieb also wieder alleine zurück und hütete Hunde und unser Feuer. Diesmal setzte ich mich nicht wieder daneben. Jedenfalls nicht so, dass ich wieder hineinfallen konnte.

Tod auf Latschen, sag ich nur...
Dann kam ein anderer Race Official, Bob, vorbei. Schon das zweite Mal an diesem Morgen. Er wollte Dyan sprechen. Angeblich die Trialconditions. Nebenbei schaute er sich die Hunde an und fragte, wie oft ich sie füttern würde, ob ich sie spazieren führen würde, ob ich die Nacht hier mit den Hunden verbracht hatte usw. Ich wunderte mich ein wenig, antwortete aber wahrheitsgemäß. Naja, dass die Spaziergänge sich auf das nötigste beschränkten und dass wir einige Stunden im Truck verbracht hatten musste er ja nicht wissen. Sie wurden ausgeführt und waren bestens versorgt und das zählte. Ich hatte keinerlei Zeitgefühl… Ehrlich gesagt, interessierte mich die Zeit auch gar nicht. Es war kalt und ich fühlte mich fast ein wenig einsam. Die meisten Teams waren nun schon längst wieder auf dem Trail. Um mich wach zu halten aß ich einen Müsliriegel nach dem anderen. Zwischenzeitlich kam mich dann Jeremy besuchen. Er brachte mehr Feuerholz, da sie es nicht mehr benötigen würden. Darren, deren Musher, war schon vor einigen Stunden aufgebrochen und sie wollten das Camp abbrechen, sobald er Eagle erreichen würde. Ab dem Punkt würde Darren mit Sicherheit nicht mehr umdrehen, so dass sie sich jetzt langsam auf den Aufbruch vorbereiteten. Jeremy sagte, dass wenn wir noch mehr Holz bräuchten, wir uns an ihrem bedienen könnten. Das wäre näher als der Feuerholzlagerplatz weiter am Anfang des Campgrounds. Die beiden sorgten wirklich gut für uns. Waren sehr froh, dass wir sie kennen gelernt hatten.

Unser Camp, nun mit Vordach
Ich kümmerte mich weiter um die Hunde, besonders um Coal, der seit heute Morgen Durchfall hatte und sich zudem zwei mal übergeben hatte. Er zitterte am ganzen Körper und für mich sah es offensichtlich so aus, dass er eine Kolik hatte. Ich führte ihn ein wenig spazieren, aber er mochte nicht wirklich gehen und lag nur ausgestreckt auf dem Stroh. Sehr untypisch. Besonders bei der Kälte. Auf diese Weise würde er mehr Wärme verlieren. Aber wenn der Bauch so weh tut. Die anderen Hunde hatten teilweise auch etwas Durchfall, aber sie waren so weit ok. Ich hatte das Fischöl, das wir auf Dyan´s Anweisung hin heute Morgen gefüttert hatten, im Verdacht für das Verdauungsproblem. Ich war sowieso dagegen gewesen, aber Dyan ist der Boss. Nun hatten wir den Salat. Ich deckte Coal immer wieder zu und klaute die Wärmejacke von Voutseck, da sie inzwischen wieder ganz ok aussah. Gab ihm zudem zwei Decken. Aber es sah echt nicht gut aus. Es musste wohl um die Mittagszeit sein, als Paul mit Kaffee und Hühnchen vorbeikam. Wir futterten schnell ein paar Hähnchenschenkel, bevor er auch schon wieder los musste. Dyan hatte gerufen. Ich sagte ihm, dass er Dyan Bescheid geben sollte, dass es Coal so schlecht ging und es wirklich dringend wäre. Ich machte mir ernsthaft Sorgen und wenn es mein Hund gewesen wäre, hätte ich schon längst einen Vet geholt, da evtl. Austrocknung drohte. Nachmittags verabschiedete ich mich von Jeremy und Bob, die nun fertig zur Abfahrt waren. Ich sagte, wir würden uns auf der anderen Seite wieder sehen, aber ich konnte an Jeremy´s Miene ablesen, dass sie nicht wirklich glaubten, dass wir es bis nach Alaska schaffen würden. Ich meinte, dass wir Dyan wenn nötig dorthin prügeln würden. Und dann waren sie weg. Und ich fühlte mich noch mal mehr alleine. Die Hunde schliefen, einige von ihnen waren nicht in wirklich guter Verfassung und ich wusste nicht, was ich noch machen sollte, um sie warm zu halten. Packte alles auf sie drauf, was ich finden konnte. Meine Füße wollte ich auch am liebsten abschrauben, so sehr taten sie weh. Und kalt waren sie auch, da es alles so durchgeschwitzt war. Von Dyan hatte ich immer noch nichts gehört. So musste ich mich wirklich zusammen reissen, als Bob, der Race Official, noch zwei mal vorbei kam und nach Dyan fragte. Hätte sie ja selber gerne hier gehabt! Ich sagte ihm, dass er sie in der RCMP Garage finden konnte, wo sie einiges am Schlitten zu tun hatte. Mehr konnte ich ihm leider auch nicht sagen. Hatte ja nicht mal ein Telefon, um Kontakt aufzunehmen. Saß da auf dem Campground mit meinen Müsliriegeln und letzten Wasserreserven fest… Gegen 17 Uhr kamen Dyan und Paul mit dem Schlitten und dem gereinigten und getrockneten Equipment auf den Campground gehetzt. Dyan hatte eine Zeitauflage bekommen. Sie hatte um 16.30 Uhr morgen in Eagle zu sein. Anderenfalls würde sie disqualifiziert werden. Sie wollte um acht Uhr heute Abend starten und so begann wieder ein Wettlauf mit der Zeit. Alles war wieder so knapp. Und da Dyan nun wirklich pünktlich los musste, da es sonst utopisch wäre rechtzeitig in Eagle anzukommen, war sie wieder entsprechend gelaunt. Konnte man ja verstehen. Aber es half alles nichts, ich sprach sie auf Coal´s Zustand an und sie fragte, wie er den laufen würde… Hä?! Laufen? Nicht sonderlich wild aufs laufen, aber würde gehen, war meine Antwort. Sie schnappte sich Coal und stiefelte los, um zu sehen wie er ging. Ich beugte mich zu Paul und fragte, was diese Frage sollte. Was hatte das mit Durchfall und Kolik zu tun? Sie kam zurück und meinte, dass er doch ganz ordentlich aussah. Ich meinte, dass der arme Kerl nur Wasser sch… würde und gekotzt hätte. Oh, sie war nun wirklich beunruhigt. Sie hatte das völlig falsch verstanden. Na super! Ich sagte, dass Coal auf gar keinen Fall weiterlaufen könnte. Sie meinte dann, dass sie dann vielleicht nirgendwohin mehr laufen würde. Ich wurde echt ernst jetzt. So nun nicht, sie hatte nicht mal die Hälfte des Rennens hinter sich gebracht. Ich fragte, wie sie auf diese Idee käme und sie antwortete, dass sie nun nicht nur Smokey, sondern auch noch Coal verlieren würde. Smokey?? Warum Smokey? Ja, sie würde ja nichts fressen. Ich sagte, dass Smokey ok wäre. Sie fraß. Nicht viel, aber sie fraß. Und wenn ich mit ihr spazieren ging, war sie happy und zog. Also, was ist das Problem?! Dyan schaute mich an und fragte mich, ja wirklich mich, nach meiner Meinung! Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Sie fragte, ob ich der Meinung wäre, dass sie Smokey mitnehmen konnte. Jaaa, verdammt! Da ist nichts los. Und das war´s, Smokey war wieder im Spiel. Wow. Ich konnte es nicht fassen, sie hatte sich auf meine Aussage hin dazu entschieden. War ein bisschen stolz auf mich. Andererseits, ich hatte nun die ganze Zeit fast rund um die Uhr mit den Hunden verbracht. Wenn einer über den Zustand der Hunde bescheid wusste, dann wohl ich. Ha! Also, alle Hunde fertig machen zum Anschirren.


Da wir nun wirklich die Vorletzten waren, die das Camp verlassen würden, war alles schon mehr oder weniger auf Sparflamme. So kam es, dass der Herr, der den GPS Sender wieder am Schlitten anbringen sollte, der zum Batteriewechsel abgebaut worden war, nicht auftauchte. Dyan war drauf und dran ohne los zu fahren. Aber in letzter Minute traf er sie wohl noch an der Startlinie an. Ich kriegte davon nichts mit, da ich mit Coal im Lager zurück blieb. Konnte eh kaum noch gehen, geschweige dann Rennen. Hatte schon gereicht zu helfen, das Team aus unserem Lager herauszubuchsieren. Der Vet, der die Auscheckuntersuchung vorgenommen hatte, und jetzt mit mir hier zurück blieb, lobte uns sehr für unsere gute Fürsorge. Wow, noch mehr Lorbeeren. Das würde mir ja heute noch zu Kopfe steigen. Er meinte, dass sich die Tierärzte sehr gesorgt hatten, als Dyan´s Team in Dawson angekommen war. Aber jetzt sahen die Hunde super aus. Ich weiß nicht, wie oft dieser nette australische Tierarzt das heute Abend noch wiederholt hatte. Aber es tat verdammt gut. Ging runter wie Öl. Nach einer Weile kam Paul zurück und wir begannen mit groben Aufräumarbeiten im Camp. Wir packten alles zusammen, was auf jeden Fall nicht mehr benötigt werden würde. Dann brachten wir Coal zum Truck und fuhren in die Stadt. wo wir uns ein Hotelzimmer nahmen. Ich war so was von tot, das kann sich keiner vorstellen. Zudem hatte ich natürlich auch noch Kopfschmerzen. Wir fielen nach einer heißen Dusche nur noch in unsere Betten. Ich pflegte nun noch meine frisch gewaschenen Füße mit Creme und schlief dann ziemlich schnell ein. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen